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„Wenn Wahlen etwas ändern würden, wären sie verboten“ – Kurt Tucholsky?

Kurt Tucholsky wird dieses Zitat zugeschrieben.   Vielleicht stammt es aber auch von der feministischen Anarchistin Emma Goldmann – egal, es trifft jedenfalls die Stimmung vieler Menschen kurz vor den Bundestags-Wahlen, auch meine. Viele Menschen werden nicht wählen gehen, weil sie es einfach nicht über sich bringen,  ein weiteres Mal ihre Stimme ABZUGEBEN, brav ihr KREUZchen zu machen und in die URNE zu werfen. Naturgemäß appellieren gerade die aufstrebenden neuen kleinen Parteien intensiv an unser moralisches, stattsbürgerliches und verantwortliches Gewissen, doch ausgerechnet jetzt um Himmels und der Erde willen nicht einfach wegzubleiben.

Mir tut das Herz weh angesichts so vieler meist gutgemeinter Versuche, auf parlamentarischem Wege die sich in so vieler Hinsicht zuspitzende Situation zu ändern, und ich habe allen Respekt vor Menschen, die dies als ihre Möglichkeit sehen, etwas zu verbessern.

Nur fühlen immer mehr Menschen – mehr oder weniger klar – dass die Entscheidungen darüber, was (nicht nur) in diesem Land passiert, ganz woanders getroffen werden als im Bundestag. Es gibt da ja das berühmtgewordene Zitat des bayrischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer  „Diejenigen, die entscheiden, sind nicht gewählt, und diejenigen, die gewählt sind, ham nix zu entscheiden.“ Das bedarf eigentlich keines Kommentars mehr, auch wenn es eigentlich eine Unverschämtheit ist, dass ein gewählter Volksvertreter so etwas mal so nebenbei in einer Unterhaltungssendung fallenlässt und dann zur Tagesordnung übergeht und weitermacht. Es kommt mir vor, als wenn eine Schafherde wählen darf, wer sie demnächst schert und schlachtet – aber dass geschoren und geschlachtet wird, daran ändert sich nichts. Es soll ja auch freie Schafe geben8auf dem Foto sollen welche sein), die ganz alleine klarkommen, selbstorganisiert, ohne Hirten, ohne Schäferhund, ohne Scheren und ohne Schlachten. (Jaja, ich weiß, Schafe brauchen immer einen Hirten und einen Schäferhund. Der Hirte schützt seine Herde vor Raubtieren – damit sie vollzählig ist, wenns ans Scheren und Schlachten geht…).

Die Marschroute der neuen kleinen oder auch plötzlich blitzschnell wachsenden Parteien lautet: „Jetzt kommen wir, wir gehören nicht zu dem Filz dazu, wir wollen das, was ihr auch wollt, wählt uns, dann ändert sich WIRKLICH was.“ Dass einige der engagierten Parteigründer der letzten Jahre und Jahrzehnte es ehrlich meinten und selbst integer sind, davon bin ich überzeugt. Das Problem liegt woanders:   Sowie eine „kleine neue alternative“ Gruppierung Einfluss gewinnt, kommt der Filz zu ihr. Sie wird unterwandert, umgedreht, verwässert, geschluckt,  von geschickten, wortgewandten, politisch erfahrenen „Machern“. Dafür braucht man nicht einmal  Verschwörungstheorien zu bemühen,  gieriges Karrieredenken reicht auch schon.  Ganz schnell sind diejenigen, die es ernst und ehrlich meinten, an den Rand gedrängt, wenn nicht ausgegrenzt, oder lassen sich gutgläubig und naiv immer weiter benutzen als „Fußvolk“  in der Lokalpolitik, das dort zum Teil jahrzehntelang engagierte fachlich orientierte Arbeit leistet und dessen ersichtlich  gute Absichten die Machenschaften der Spitzenpolitiker verschleiern helfen. Wer erinnert sich noch an Hubert Weinzierl, Gert  Bastian,  Petra Kelly, Horst Stern aus den Anfangstagen der Grünen Bewegung? Die Grünen waren ursprünglich eine breite, umweltkritische (?) Bürgerbewegung, die wirklich etwas zu verändern drohte. Gefährlich.  Die ursprünglichen „Grünen“ wollten eigentlich keine Partei werden, sondern setzten auf gesellschaftliche Veränderung jenseits der Parlamente. Es gab erbitterte Diskussionen, dann setzten sich die Parteigründungs-Befürworter, oft neu hinzugekommene  Karrieristen mit kommunistischer Kaderschulung, gegen die politisch unerfahrenen, inhaltlich motivierten Menschen durch oder rissen sie mit. Das ist längst vergessen und spiegelt sich auch im Internet nicht mehr, am wenigsten in der Selbstdarstellung der Partei Bündnis90/ Die Grünen.

Mir ist klar geworden: Jede Institution, jeder Verein, jede Partei, kurz: alles, was über das kleinvernetzte Zusammenwirken von Menschen, die sich persönlich  gut kennen und vertrauen, hinaus geht,  kann unterwandert werden und wird unterwandert, sowie sich Gewinnmöglichkeiten, Karrierechancen abzeichnen und/oder diejenigen, die „nicht gewählt sind, aber entscheiden“, sich bedroht fühlen. Unsere wahre Macht liegt in der  schöpferischen Eigenverantwortung jedes Einzelnen,  in der Stärke und Wärme unserer zwischenmenschlichen Beziehungen und im guten Kontakt zu unserer Intuition, die uns hilft, „falsche Freunde“ zu erkennen. In diesem Handeln sind wir unendlich stark. Und deswegen will man uns einreden,  wir sollten stattdessen lieber alle vier Jahre unsere Stimme abgeben, damit irgendwann jemand hoffentlich mal Gesetze beschließt, die uns (und besonders „die anderen“) zwingen, das zu tun, was wir eigentlich auch freiwillig tun können.

Auch heute versuchen Parteien aller Größe und Ausrichtung  wieder, genau die Menschen, die seit Jahren  für Freiheit und Aufklärung eintreten und sehr viele Menschen damit erreichen, in eine Partei zu locken. Wenn das gelingt, ist das eigentliche Wirken eines solchen Menschen dem Zerfall geweiht, er kann nicht mehr nur für sich und seine innerste Überzeungung stehen, sondern muss ein Parteiprogramm vertreten. Ich trauere mittlerweile um etliche tatkräftige Menschen, die viele Jahre für ein Thema gestanden haben und sich dann von der Verheißung haben blenden lassen, irgendeine Partei würde tatkräftig ihr Anliegen vertreten. Gemeinsam sind wir stark, ja, aber nicht in Form von Parteien, sondern in Form von

Aber die Erkenntnis unserer wahren Kraft, die in jedem einzelnen und im liebevollen Zusammenwirken liegt, wächst, und das ist eine wunderbare Nachricht.  Ich gebe meine Stimme nicht ab. Ich behalte sie und erhebe sie zum Reden oder Singen.

Meine Freundin Jutta Belle drückt dies so aus:

„In Liebe und Verbundenheit den Weg gemeinsam gehen,
gibt jedem die Gelegenheit, den andern zu verstehen.“

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