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Homeschooling und Impfgegner – so machen’s die Amis

Was hat Schulverweigerung mit Impfverweigerung zu tun? Sehr viel, denn in der US-Öffentlichkeit wird offenbar gerade die Vorstellung verankert, die Homeschooler und ihre häufig ebenfalls praktizierte Impfverweigerung seien schuld an dem “Aufflammen bereits besiegter schrecklicher Krankheiten” wie Masern.

Vor einigen Tagen begegnete mir und meinen Söhnen im Urlaub in Spanien auf einer Zugfahrt eine amerikanische Familie mit drei kleineren Kindern. Mir gefiel die Art, wie sie mit ihren Kindern umgingen, und wir kamen ins Gespräch. Ich erwähnte, dass ich im Haus einer Freundin zu Gast sei, deren Kinder nicht zur Schule gehen und die daher einen Teil des Jahres im Ausland verbringen müsse, da Homeschooling bei uns strikt verboten sei.

Daraufhin bemerkte der Mann im Brustton der völlig sicheren Überzeugung, in den USA seien die Homeschooler religiöse Verrückte, die nicht nur die Schule, sondern auch das Impfen ablehnen würden, weil sie die moderne Medizin für unnatürlich hielten. Und deswegen seien jetzt bereits ausgerottete Krankheiten wie Masern wieder auf dem Vormarsch, aber die amerikanische Regierung würde jetzt versuchen, diese Homeschooler loszuwerden (“try to get rid of them”), indem Homescholing verboten würde.

Da meine Söhne bekanntlich ihre Schulabschlüsse ohne nennenswerten Schulbesuch absolviert haben und völlig ungeimpft sind, sah ich betrübt ein, dass es keinen Sinn haben würde, mich mit dieser netten freundlichen Familie weiter zu befassen – ich bin keine missionarische Begabung.

Aber diese Bemerkung arbeitete in mir. Ich dachte “Aha, so machen sie es jetzt – Homeschooler sind schuld an Weltepidemien und deswegen muss Homeschooling aus Sicherheitsgründen verboten werden” – was für eine raffinierte Konstruktion! Immerhin ersehe ich daraus, dass auch in den USA die Zahl der Impfskeptiker inzwischen groß genug ist, um als Argument benutzt werden zu können – natürlich ist das wissenschaftlich völliger Quatsch, aber mit der Durchimpfung der Bevölkerung wird ja auch bei uns gern argumentiert.

Dann wurde ich noch trauriger, denn mir fiel ein, wie ich vom Herbst 2011 bis Herbst 2012 all meine Kraft in das Großprojekt der ersten globalen Homeschooling-Konferenz in Berlin gesteckt hatte. (www.ghec2012.org) Für dieses Projekt hatte die (konservativ-chirstlich geprägte) weltgrößte Homeschoolvereinigung HSLDA sehr viel Geld und die Logistik ihres großen Verbandes bereitgestellt. Deutschland war ausgewählt worden für dieses Ereignis, weil der Homeschool-Community weltweit deutlich war: Wenn es nicht gelingt, Deutschland (weltweit der Inbegriff für Bildung, Volk der Dichter [&] Denker und so weiter) für das Freilernen zu öffnen, drohen die bereits bestehenden Freiheiten weltweit verloren zu gehen – selbst in scheinbar “sicheren” Ländern wie den USA.

Ich konnte das damlas kaum glauben – jetzt droht es Wirklichkeit zu werden, und mit dem Argument Sicherheit und Epidemien hat man ja bereits Vieles durchsetzen können. Für mich am bittersten: Die GHEC fand mit hervorragenden Referenten (darunter André Stern) und TeilnehmerInnen aus 5 Kontinenten statt, war aber nicht so gut besucht und von den Medien beachtet, wie es zu erwarten gewesen wäre, weil ein Teil der deutschen Freilerner die Konferenz ablehnte, nicht mit dem christlichen US-Verband zusammenarbeiten wollte, zum Boykott aufrief und alles tat, um den Erfolg der Konferenz zu vereiteln. Mir selbst wurde ehrgeizige Profilierungssucht unterstellt und naive Blindheit angesichts angeblicher Pläne der HSLDA, die deutsche Freilernbewegung zu dominieren (völlig lächerlich angesichts der anarchistischen Struktur der Freilern-Szene).

Ich appellierte damals verzweifelt an die Freilerner, doch das gemeinsame Ziel der Bildungsfreiheit nicht über unterschiedliche weltanschauliche Präferenzen zu stellen und zitierte den Text von Martin Niemöller

„Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist.
Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat.
Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Gewerkschafter.
Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“[27]

http://www.deutschlandradiokultur.de/schule-ist-eine-brutstaette-fuer-mobbing-und-fuer.954.de.html?dram:article_id=226710

Als ich jetzt von dem amerikanischen Vater aus North-Carolina erfuhr, mit welchem perfiden Trick jetzt die Obama-Regierung die Bildungsfreiheit im “Land of the Free” abzuschaffen versucht, fiel mir das alles wieder ein.

Die Frage[nbsp] “was wäre wenn” ist müßig, aber manchmal tut es einfach weh, recht zu behalten.

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